Sie streifen durch den Wochenmarkt – ein junges Paar; beide tragen Kopfhörer; wiegen, einem heftigen Rhythmus wohl gehorchend, die Köpfe. Wollen sie denn nicht erlauschen die Geräusche eines Markts, die Stimmen der Vorübergehenden, der Sterblichen, vor Ständen Anstehenden? Bedeutet er ihnen nichts, der archaische Gesang? Ergriffen zu werden von den Kanones der Händler! Die Tenorarie eines Bäckermeisters! Das ungehörte Klagelied eines Singvogels, der um die Kastanie kreist, die wiederum ins Gebet versunken. Das Marktgeschehen als Ganzes – das Pärchen geht unbeteiligt seiner Wege. Die Atemzüge eines Januartags. In hundert Jahren noch werden Menschen Märkte besuchen, sich verzaubern zu lassen von den Frachten, die Noahs Arche zweimal die Woche herbeizutragen sich müht. Der Markt ist eine heilige Fußspur im irdischen Staub.

Autor: fentzloff

Ulrich Fentzloff, 1953 in Ludwigsburg geboren und aufgewachsen. Kind poetisch verklärter Tage in einem Württemberg des Geistes. Studium der Evang. Theologie und der Philosophie an der Universität Tübingen. Vikar in Leonberg-Silberberg. Pfarrverweser in Unterlenningen, am Fuße der Schwäbischen Alb. Gemeindepfarrer in Kirchberg/ Jagst (Hohenlohe), an der Johanneskirche in Stuttgart, und schließlich, 25 Jahre lang, bis Sommer 2016, in Langenargen am Bodensee. Lebt als Dichter in Konstanz. Absichtlich deckt den Ausgang des Tages zu, Umnachtet das Zukünftige uns der Gott Und lacht, wenn sterblich eins zu sehr be- Sorgt, was geschehen wird. (Horaz, in der Übersetzung Friedrich Hölderlins)