Im Seecafé Porto Sophie lese ich Hölderlingedichte, die mich seit jeher begleiten. Ich bin vertieft in die Feldauswahl von 1943, erschienen im Cotta-Verlag; eine von Friedrich Beißner im Auftrag der Hölderlin-Gesellschaft besorgte Ausgabe. Vom ersten Buchstaben an spürt man, daß diese Gedichte keinesfalls ins Raster der NS-Propaganda sich einfügen ließen; denkt indes zeitgleich an die Zahl von Soldaten, die, der Kriegshölle ausgeliefert, in diesem Bändchen gelesen haben. Für manche ein letzter Wohlklang vor dem Sterben. Im Äußersten bleibt die Erinnerung an einen Psalmvers, an ein Gedicht, an einige Bogenstriche abendländischer Musik. Wir werden in jeweilige Epochen, Sprachen, Landstriche gesandt und bleiben heimatlos. Ich halte im Jahr 2024 die Feldauswahl in Händen; Konstanz überflutet vom Karneval, von unsäglichem Lärm. Das kann mich nicht aus der Fassung bringen. »… Einmal / Lebt ich, wie Götter, und mehr bedarfs nicht.« (Hölderlin, aus: An die Parzen)

Autor: fentzloff

Ulrich Fentzloff, 1953 in Ludwigsburg geboren und aufgewachsen. Kind poetisch verklärter Tage in einem Württemberg des Geistes. Studium der Evang. Theologie und der Philosophie an der Universität Tübingen. Vikar in Leonberg-Silberberg. Pfarrverweser in Unterlenningen, am Fuße der Schwäbischen Alb. Gemeindepfarrer in Kirchberg/ Jagst (Hohenlohe), an der Johanneskirche in Stuttgart, und schließlich, 25 Jahre lang, bis Sommer 2016, in Langenargen am Bodensee. Lebt als Dichter in Konstanz. Absichtlich deckt den Ausgang des Tages zu, Umnachtet das Zukünftige uns der Gott Und lacht, wenn sterblich eins zu sehr be- Sorgt, was geschehen wird. (Horaz, in der Übersetzung Friedrich Hölderlins)