Gestern oder vorvorgestern, zur Zeit der Mongolenstürme im 13. Jahrhundert, im biblischen Korinth vielleicht auch vor gut 2000 Jahren – ich weiß nicht mehr wann; sagen wir: irgendwann … irgendwann öffnete ich, vor der Kulisse eines alle Epochen verklärenden Abendrots, Erdnüsse, die auf einem Teller vor mir lagen. Ach, eine beliebige Geste zu beliebiger Zeit. Große Teile unseres Daseins überhaupt zersplittern zu Kleinigkeiten am Wegrand. Das Dasein verliert sich in Handgriffen, Gedankenblitzen, Ausflügen nach Portugal … Im Falle, daß wir zurückschauen dürften am Ende unserer irdischen Tage, fänden wir ein paar Fahrkarten, eine Reiszwecke, Apfelschalen, der leidenschaftlichen Umarmungen zwei ––– kaum Zusammenhängendes, kein sinnvoller Brief, das Gekritzel eines vierjährigen Kindes, die Auflösung des Ichs – was wiederum nichts daran ändert, daß ich meinen Namen nie vergessen werde. Gott sagt zu mir: »Ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein.« (Jes. 43,1) Mein Name ist ein Nachen, in welchem ich, über Gewässer treibend des Todes, das Nichts, das von Gott mich zu trennen beabsichtigt, überquere. In den letzten Augenblicken meines Lebens werde ich im jahrhundertalten Sommermäntelchen vor einem Kiosk stehen am Rande einer armen Straße, aus einem halb zerbrochenen Glas Billigkaffee schlürfen, die letzte Zigarre rauchen, alles vergessen haben außer meinem Namen. »Ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein.«

Autor: fentzloff

Ulrich Fentzloff, 1953 in Ludwigsburg geboren und aufgewachsen. Kind poetisch verklärter Tage in einem Württemberg des Geistes. Studium der Evang. Theologie und der Philosophie an der Universität Tübingen. Vikar in Leonberg-Silberberg. Pfarrverweser in Unterlenningen, am Fuße der Schwäbischen Alb. Gemeindepfarrer in Kirchberg/ Jagst (Hohenlohe), an der Johanneskirche in Stuttgart, und schließlich, 25 Jahre lang, bis Sommer 2016, in Langenargen am Bodensee. Lebt als Dichter in Konstanz. Absichtlich deckt den Ausgang des Tages zu, Umnachtet das Zukünftige uns der Gott Und lacht, wenn sterblich eins zu sehr be- Sorgt, was geschehen wird. (Horaz, in der Übersetzung Friedrich Hölderlins)