Ein erster Blick in diesem Jahr aufs nordische Meer; verbunden damit die Einsicht, daß unser Leben auf ein Nachdenken sich reimt. Ich spreche bewußt vom Nach-Denken und nicht vom Denken. Das Verb ›denken‹ kommt zu leicht und geschwind daher; biegt um die Ecke, sagt ›Aha‹; wohingegen das Präfix ›nach‹ von schwer wiegender, dunkler Langsamkeit, von den Rhythmen zeugt des Meeres, seinen Ursprung hat im Lied des Ozeans . . . Das Nachdenken bindet alle Gestalten des Erscheinens an ein Woher. Fischkutter finden zurück in ihren Morgen am Landesteg. Das nordische Meer ist eine jahrmillionenalte Ulme. Ihre Zweige erinnern an ein archaisches Zitat. Du findest es in keinem Buch. Eine kosmische Hand hat es auf Laken geschrieben des Winds: Schrift, die an Kantaten denken läßt und an Gebete. Ob das Leben nur Lektüre, Spätschicht, Grabgesang zuweilen? … Vor Restaurants, Cafés und Bars harren alte Menschen aus. Versuch‘ dich zu erinnern, wann du das letzte Mal zu Hause warst?

Autor: fentzloff

Ulrich Fentzloff, 1953 in Ludwigsburg geboren und aufgewachsen. Kind poetisch verklärter Tage in einem Württemberg des Geistes. Studium der Evang. Theologie und der Philosophie an der Universität Tübingen. Vikar in Leonberg-Silberberg. Pfarrverweser in Unterlenningen, am Fuße der Schwäbischen Alb. Gemeindepfarrer in Kirchberg/ Jagst (Hohenlohe), an der Johanneskirche in Stuttgart, und schließlich, 25 Jahre lang, bis Sommer 2016, in Langenargen am Bodensee. Lebt als Dichter in Konstanz. Absichtlich deckt den Ausgang des Tages zu, Umnachtet das Zukünftige uns der Gott Und lacht, wenn sterblich eins zu sehr be- Sorgt, was geschehen wird. (Horaz, in der Übersetzung Friedrich Hölderlins)