Windräder, Götter der Moderne, hochgewachsene Gottheiten, schenken den Küstenbewohnern Strom, nehmen der Landschaft jedoch die Stille. Das Kreisen der mächtigen Räder läßt an fernen Autobahnverkehr denken, an das endlose Vorübereilen der Züge. Im frühesten Morgen die Wetter in sich selbst versunken. Die Zeit, nach dem Einzelnen zu fragen. »Was ist der Mensch, daß du seiner gedenkst / Und des Menschen Kind, daß du dich seiner annimmst?« (Ps.8, 5) Der Mensch, ein Wesen, welches für einige Jahreszeiten auftaucht an den Rändern dessen, was manche ›Geschichte‹ zu nennen geneigt ist; welches Tempel betritt, die Nase schnäuzt, foltert, mordet, Gedichte verfasst und segnet. Im Reisepass finden sich der Daten einige: Nichtssagendes. Körperlicher und seelischer Schmerz drängt den Einzelnen aus seinem Haus, möchte ihn verorten im Beliebigen der Materie. Schmerz erweist als eine Stimme sich, die das Jeweilige einer Person einzutauchen sich müht in ein Allgemeines. Schmerz löscht den Aufruf, Städte und Flugzeuge zu bauen, in Bibliotheken zu ermüden, einen Brief an Niemanden zu schreiben. Schmerz tritt wie ein Unwetter in den Tag. »Und Landschaften sehr karg, verschwiegen. / Niemand, der den Schmerz mir wegerklären könnte; / Schmerz, der eine Art von Muttersprache; so natürlich. / Sprache, die wir gar nicht lernen müssen – / Schmerz, der wie ein Abend, eine Stimmgabel der Angst, / einfach nur noch da am Rand des Kinoateliers. // Die Hälfte einer Dunkelheit wacht um meinen Küchenstuhl.« (aus Als der Zug nach Basel an mir vorüberfuhr) Was den Einzelnen ausmacht, findest du jenseits der Schmerzen; insofern auch jenseits des Todes. Der Gedanke der Auferstehung, der um die Erscheinung Jesu blüht, ist der Versuch, den Einzelnen als unbedingt Gottursprünglichen einem Werden und Vorübergehn entgegenzusetzen. Jesu Passion – dies Ringen um den Einzelnen inmitten der Kriege, der Inflationen, der Krankheiten. Ist der Schlaf Antwort lediglich auf Mühe, Erschöpfung, Sprachlosigkeit? Könnte man den Schlaf auch deuten als ein Gesamtkunstwerk? Zwei, drei Schritte, die anderswohin weisen? Sind wir im Zustand des Schlafes Jesus denkbar nahe? Schlaf als das Geheimnis des Hierseins? Schlaf – kein Vergessen; vielmehr der Raum, wo wir unserer einzigartigen Gottbestimmung begegnen. Nirgendwo sonst wären wir unserer Bestimmung und Einzigartigkeit entschiedener zugeordnet als im Schlaf? Und die Schlaflosen dies am innigsten empfinden? Jesu Auferstehung wäre kein Erwachen; ein Überwältigtwerden eher von kosmischem Schlaf, welcher das denkbar verrückteste Theater? Du fragst, was ich denn nach Ausführungen solcherart unter ›Schlaf‹ zu verstehen mich anschicke? Ich antworte: »Sowohl auf Strafgaleeren wohnen / meine kleinen Nächte, als auch im weißen Vogelflug. / Abgrund, der sich aufwirft zwischen Todverfallenheit / und einer Heiterkeit der Alpenpfade. // Obstgärten des Abends liegen, / Augenringe schwarz geschrieben, / unter unsren Dörfern / der Vergeblichkeit. // Es kriecht mein Tag aus einer müden kalten Vogelstimme« (Tragische Theologie) Gute Nacht, mein schüchtern süßes, kleines Halsweh.

Autor: fentzloff

Ulrich Fentzloff, 1953 in Ludwigsburg geboren und aufgewachsen. Kind poetisch verklärter Tage in einem Württemberg des Geistes. Studium der Evang. Theologie und der Philosophie an der Universität Tübingen. Vikar in Leonberg-Silberberg. Pfarrverweser in Unterlenningen, am Fuße der Schwäbischen Alb. Gemeindepfarrer in Kirchberg/ Jagst (Hohenlohe), an der Johanneskirche in Stuttgart, und schließlich, 25 Jahre lang, bis Sommer 2016, in Langenargen am Bodensee. Lebt als Dichter in Konstanz. Absichtlich deckt den Ausgang des Tages zu, Umnachtet das Zukünftige uns der Gott Und lacht, wenn sterblich eins zu sehr be- Sorgt, was geschehen wird. (Horaz, in der Übersetzung Friedrich Hölderlins)